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Die Pfarrkirche St. Walburga
liegt mitten im Zentrum Meschedes am Ende der Ruhrstraße (Fußgängerzone).
Eingangsportal
zur Kirche
Im 9. Jahrhundert
wurde das hochadelige Kanonissenstift Meschede an diesem wichtigen
Verkehrsknotenpunkt der mittleren Ruhr gestiftet. In der ältesten
überlieferten Urkunde von 913 bestätigt Konrad I. auf Bitten
eines Grafen Hermann den Klosterfrauen in Meschede die Privilegien
früherer Könige. Als Stammkloster
der Grafen zu Arnsberg wurden die Grafentöchter Äbtissinnen
und
die Grafen waren bis zum Aussterben des Geschlechtes 1368
Erbvögte.
Freilich sank das sehr reiche adelige Damenstift wirtschaftlich und
moralisch
ab, so daß der Kölner Erzbischof Heinrich II. es 1310 in ein
auch bürgerliches Kollegiatstift für fünfzehn Kanoniker
umwandelte, das bis zur Aufhebung 1805 bestanden hat.
Die um 900 bzw. 1168
entstandene kreuzförmige Basilika mußte 1663/64 einer
dreischiffigen Hallenkirche weichen, deren Krypta in das 10.
Jahrhundert zu datieren ist. Gleichfalls lassen sich im Bau Reste eines
1168 geweihten Neubaues nachweisen. Im Bombenhagel des Frühjahres
1945 brannte die Stiftskirche aus, sie wurde bald danach restauriert.
Von den drei Flügeln der Stiftsgebäude wurden zwei bereits im
19. Jahrhundert abgebrochen.
Die
archäologischen Untersuchungen an der St. Walburgakirche begannen
Anfang 1965 mit einer
Rettungsgrabung im Zuge von Ausschachtungen für eine
Heizungsanlage.
In den folgenden Jahren konnten die Arbeiten weiter fortgeführt
werden.
1981 kam es zu großflächigen Wanduntersuchungen im Bereich
der
Orgelempore.
Ergebnis der
Forschung ist, daß dies kompliziertere Gebilde einer
karolingischen Stiftskirche mit einer Vollständigkeit
rekonstruiert werden konnte, die für diese Zeit sonst kaum
ihresgleichen hat. Außer den im Boden gefundenen Mauerresten
konnten nämlich noch wesentliche Teile des Aufgehenden
als zum Gründungsbau gehörig erkannt werden.
Durch
dendrochronologische Untersuchungen von mehreren Holzproben konnte
ermittelt werden, dass die Kirche in den Jahren zwischen 897 und 913
erreichtet worden sein muß.
Der Bau der
Stiftskirche war im Grundriß kreuzförmig und setzte sich aus
einem dreischiffigen Langhaus, Querrahmen mit Apsiden, einem
quadratischen Chorjoch mit einer Kryptenanlage und schließlich
einem im Westen angefügten Turm
zusammen.
Das Mittelschiff
war mit 12,06 doppelt so hoch wie breit. Zu den niedrigen
Seitenschiffen
hin öffnete sich das Mittelschiff durch fünf Bögen
über
leicht längsrechteckigen Pfeilern. Das westliche Pfeilerpaar war
kreisförmig gestaltet.
Vermutlich hat es
aber einen noch älteren Vorgängerbau gegeben. Oder es
könnte als erster Kirchenraum ein kleines, in die Klausur
einbezogenes Oratorium an der Stelle der bis 1920 südlich der
Stiftskirche gelegenen Magdalenenkapelle gedient haben.
Auffallend ist die
Ausstattung der Kirche mit Tongefäßen, die als
Resonanzkörper (Schallgefäße) gedacht waren. Im Boden
war ein ca. 20 m langer, etwa 0,4 m breiter Graben in den anstehenden
Boden eingetieft und von diesem ausgehend fünf Quergräben. Im
Langhausjoch endeten die genau in der Mittelachse zwischen den
Arkadenpfeilern angelegten Gräben vor
den Spannfundamenten der Arkaden. Jenseits der Fundamente setzten sie
sich
in gleicher Flucht fort. Im Westjoch, d.h. unter der Empore, wurden
zwei
parallel verlaufende Ost-West-Gräben vorgefunden. Die Gräben
waren
seitlich mit Steinplatten aus dem örtlichen Schiefer ausgekleidet
und
mit ebensolchen Platten und Kieseln in einzelne Kammern unterteilt. In
diesen
waren in nicht ganz gleichmäßigen Abständen
Tongefäße
eingesetzt. Im Chor wurden die Gefäße in der
Aufschüttung
des Chorbodens stehend angetroffen, oben mit einer Steinplatte
abgedeckt
und vom Mörtelestrich übergossen. Die Anordnung war auch hier
etwas unregelmäßig, aber im Prinzip etwa einem Quadratraster
entsprechend mit einem Abstand von rund einem Meter.
Auf der Orgelempore
waren in der Nord-, Süd- und Westwand bereits 1880
Gefäße gefunden worden. Hier waren sie in Reihen
übereinander angeordnet, mit der Mündung zum Raum hin und
ursprünglich offen.
Die
Gefäße gehören der zeitgenössischen
Gefäßkeramik an, sind also keine Sonderanfertigungen
für die Verwendung im Bau. Die überwiegende Mehrzahl stammt
aus den Töpfereien des rheinischen Vorgebirges westlich der Linie
Köln-Bonn. In den Wänden der Orgelempore waren
Gefäße von ziemlich einheitlichem Charakter vermauert: Hohe
Kannen mit eiförmigem Boden, kleiner Ausgußtülle und
Henkel, meist mit Rollstempelbändern und roter Bemalung verziert.
Im Boden fanden sich vielerlei andersartige Gefäßformen.
Die Verwendung
von Schallgefäßen ist schon seit der Antike bekannt. Zur
Verbesserung der Akustik hat man auch in Theaterbauten große
Gefäße eingebaut. Nach heutigen naturwissenschaftlichen
Verständnis akustischer Vorgänge können zumindest die im
Boden verborgenen Gefäße keine wahrnehmbaren Effekte gehabt
haben. Im Mittelalter hat aber die experimentelle Erforschung
natürlicher Vorgänge noch keine wesentliche Rolle gespielt.
Vielmehr vertraute man den Überlieferungen älterer
Autoritäten. Missverständnisse und Fehler waren dabei nicht
zu vermeiden.
Im Stiftshof
neben der Pfarrkirche ist das Pfarramt untergebracht.
Vor dem Eingang
steht ein von dem Schmallenberger Metallbildhauser Walter Schnieder
gestalteter Pfau aus Titan und Edelstahl. Der Pfau dokumentiert die
Zugehörigkeit zum Erzbistum Paderborn. Ein Pfau soll der Legende
nach bei der Überführung der Reliquien des Heiligen Liborius
von Le Mans nach Paderborn den Schrein begleitet haben.
Die Vikarie der
St. Walburga-Gemeinde wurde 1812 als Rentamt und Domänenverwaltung
vom Fiskus errichtet und 1880 von der Kirchengemeinde erworben. Im
Krieg brannte das Gebäude aus, wurde aber wieder aufgebaut.
Das Pfarrhaus
mußte 1984 im Zuge der Stadtkernsanierung dem Neubau der
Bundesstraßen
7 und 55 weichen. Das Pfarrhaus war ebenfalls im Krieg weitgehend
zerstört, anschließend aber wieder aufgebaut. Als die Post
zum Bahnhof zog,
hat die Kirchengemeinde im Tausch das ehemalige Postamt erhalten und
zum
Pfarr- und Verwaltungshaus "Stiftshof" umgebaut.
Die Marienstatue,
die an der Fassade des alten Pfarrhauses stand und wie durch ein Wunder
den Krieg überstanden hat, hat einen neuen Platz im Stiftshof
gefunden. Eine Kopie wurde auf dem Marienplatz neben der Pfarrkirche
aufgestellt.
Literatur
Claussen, Hilde und
Uwe Lobbedey (1985): Die karolingische Stiftskirche in Meschede. In:
Der Oberkreisdirektor des Hochsauerlandkreises (1985): Jahrbuch
Hochsauerlandkreis 1985.
Ackermann,
Friedhelm und Alfred Bruns (1985); hrsg. vom Sauerländer
Heimatbund e.V.
und Schieferbergbau-Heimatmuseum Holthausen e.V.: Burgen,
Schlösser
und Klöster im Sauerland. Strobel-Verlag, Arnsberg
Wortmann, Theodor
(1998): 25 Jahre Gemeindeverband Katholischer Kirchengemeinden
Hochsauerland-Waldeck. In: Der Landrat des Hochsauerlandkreises
(Hrsg.): Jahrbuch Hochsauerlandkreis 1998
Zeutschner, Heiko
(1992): Sauerland. Michael Müller Verlag
Stephan Teutenberg
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