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Josef Wittig, geboren 1873 in
Kreis Glatz, Schlesien wurde 1949 in Meschede beigesetzt. Wittig gilt
als Kirchengeschichtler von internationalem Ruf
und schlesischer, christlicher Heimatdichter.
Joseph Wittig wurde am 22.1.1879 in Neusorge (Grafschaft Glatz) als
sechstes Kind des Zimmermanns Eduard Wittig und seiner Frau Johanna
geboren . Ab 1893 besuchte er das Matthias-Gymnasium in Breslau. Das
Studium der Theologie schloss er 1903 mit der Promotion zum Doktor der
Theologie über Papst Damasus I. ab. Im Juni 1903 wurde er in der
Breslauer Kreuzkirche zum Priester geweiht. Nach 14 Monaten unterbrach
er seine seelsorgerische Tätigkeit, um 1904 für zwei Jahre
ein weiteres Studium in Rom am deutschen Kolleg Campo Santo über
christliche Archäologie und frühchristliche Kunst
aufzunehmen.
Nach der Rückkehr aus Rom wurde er Kaplan. 1909 begann er seine
Universitätslaufbahn und wurde 1915 zum ordentlichen Professor
für Kirchengeschichte, Patristik (Lehre über altkirchliche
Theologen
des 1. bis 7. Jhd.) und kirchliche Kunst an der Theologischen
Fakultät
der Universität Breslau ernannt. Er brachte ein berühmtes
Nachschlagewerk über die Kirchenväter auf den neuesten Stand,
er schrieb ein sehr
frommes Buch über das Papsttum mit vielen Bildern, aber dann
zeigte
er ganz andere Talente: Er schrieb Geschichten, die das Leben Jesu so
nacherzählten,
als ob es sich in Schlesien, seiner Heimat, ereignet hätte. Er
konnte
etwas, das leider nicht viele Professoren können: Lebendig
erzählen.
Wittig war bisher nur wenigen Gelehrten bekannt, jetzt wird er ein
bekannter
religiöser Volksschriftsteller. Neben anderen wissenschaftlichen
Veröffentlichungen
gab er das Lehrbuch der Patrologie neu heraus. 1922 erregte sein
Aufsatz
"Die Erlösten" in der Zeitschrift "Hochland" (Jg. 19), in dem er
die
offizielle kirchliche Auslegung der Sünde und Beichte kritisierte,
in ganz Deutschland Aufsehen und führte zu Protest der
vorgesetzten
kirchlichen Behörde.
Wittig
schreibt darin: "Glaube ist das ganz unmittelbare Verhältnis, der
innigste
persönliche Bezug zu Gott. Der Glaube befreit, macht froh, macht
selig."
Damals waren die Leser von diesem Text begeistert. Viele Katholiken
nämlich
wurden durch den Glauben nicht froh, sondern ängstlich. Angst
hatte
man vor der Sünde, vorm Beichten, vorm Pfarrer, vorm Fegefeuer,
vor
der Hölle. Joseph Wittig erinnerte die Christen daran, daß
sie
die Erlösten sind, daß sie nicht hinter jeder Ecke einen
zürnenden Gott vermuten müssen. Das ist natürlich kein
Verbrechen Aber Wittig schreibt im falschen Land und zur falschen
Zeit. Im falschen Land, weil Deutschland halt auch das Land Martin
Luthers ist, und Luther für seine Zeit die Erlösung neu
entdeckt hatte. Und er schreibt zur falschen Zeit, denn die katholische
Kirche hat sich noch nicht abgefunden mit der
modernen Welt, sie hat keine Selbstsicherheit und reagiert entsprechend
verängstigt. Sein "Herrgottswissen", "Kirche im Waldwinkel" und
"Das Leben Jesu in Schlesien, Palästina und anderswo" wurden
trotzdem von katholischen und protestantischen Lesern begeistert
aufgenommen.
Verschiedene
Theologen werfen Wittig vor, er sei ein "Luther
redivivus", ein neuer Luther. Und das war damals so ziemlich das
Schlimmste, was man einem katholischen Theologen vorwerfen konnte.
Kardinal Bertram von Breslau, der den schönen Titel
Fürsterzbischof trug, griff die Vorwürfe auf. Wittig erfuhr
nie, was man ihm eigentlich genau vorwarf. Dennoch wurde er 1926 nach
der Beurlaubung an der Universität exkommuniziert, also aus der
Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen. Die Auseinandersetzungen mit
der Amtskirche führten schließlich zur Indizierung vieler
seiner Schriften. Wittig verlor seine Tätigkeit als Priester,
seine Aufgabe als Professor für Kirchengeschichte, er verlor sein
Ansehen, er verlor viele Freunde. Doch er gewann auch etwas: Eine
Familie. Joseph Wittig kehrte in die Grafschaft Glatz zurück und
heiratete 1927 die 20 Jahre jüngere Bianca Geisler, Tochter des
Bürgermeisters von Habelschwerdt. Sie bekamen drei Kinder.
Der
Breslauer Theologie-Professor arbeitete nun als freier Gelehrter in
Neusorge. Trotz der Ausschließung aus der Kirchengemeinschaft
blieb er der
katholischen Kirche treu. In den Jahren bis 1943 hielt er Vorträge
im protestantischen Raum, vor allem in Norddeutschland. Seine
theologische Tätigkeit drückte sich außer im
schriftstellerischen Schaffen in einem umfangreichen Briefwechsel und
in vielen Vorlesungen aus.
Kardinal Bertram war gegenüber Hitler sehr nachgiebig,
gegenüber Wittig aber unnachgiebig. Als Bedingung für die
Versöhnung forderte er, daß Wittig seine Frau verlassen
müsse, was dieser nicht
tat.. Dann kam der Zweite Weltkrieg, Breslau wurde polnisch, Kardinal
Bertram starb. Sein polnischer Nachfolger gehörte zu Wittigs
Bewunderern.
1946 wurde Wittig von Papst Pius XII. persönlich wieder offiziell
in die Kirche aufgenommen - obwohl er Priester war, mußte
er
sich nicht von seiner Frau trennen. Die Freude darüber wurde
jedoch
durch die Vertreibung aus dem Glatzer Land verhüllt - nur drei
Wochen
nach der Versöhnung mit der Kirche.
Nach
einigen Monaten in Altena (Westfalen) fand die Familie Wittig eine
Heimat in Göhrde in der Lüneburger Heide. Freunde besorgten
1949 eine Wohnung in Meschede. Doch der siebzigjährige Wittig
starb kurz vor dem Umzug nach Meschede im Sauerland am 22.August 1949
an einem Herzinfarkt. Der Mescheder Südfriedhof wurde seine letzte
Ruhestätte.
Seine
Frau Bianka starb am 18.März 1998 in Meschede kurz vor ihrem 99.
Geburtstag. Sie hat als Frau des berühmten Theologen viel
dafür getan, daß
ihr Mann, der exkommuniziert wurde, dennoch stets mit der Kirche innig
verbunden blieb.
Als durch
Unverständnis damals führender Kreise für das
theologische Anliegen von Joseph Wittig (neben Kardinal A. Bertram in
Breslau auch Prof
Krebs in Freiburg i. Br. u. a.) dieser immer mehr in Bedrängnis
geriet,
war es Bianka Wittig, die dafür in ihrer Art sorgte, daß ihr
Mann nicht die Fassung verlor, sondern in aller Not sich und der Kirche
und seiner Familie treu geblieben ist. Als die Exkommunikation ihres
Gatten aufgehoben wurde, sah sie sich in ihrem Mühen
bestätigt, mit so viel Geduld in all den Jahren davor bei der
Kirche zu bleiben.
Zugleich
aber war sie auch die mutige Verfechterin eigenständigen
theologischen Denkens und neuer theologischer Ansätze und Wege,
vor allem, wenn
es darum ging, die Lehre von der Frohbotschaft - und nicht von der
Drohbotschaft - immer wieder den Christen ins Gedächtnis zu rufen.
- Wenn daher
von Joseph Wittig die Rede ist, dann muß ebenso sehr von seiner
Frau
Bianka gesprochen werden. Bis zum Ende ihres Lebens war sie eine
gesuchte
Ratgeberin von Priestern, die sich an ihrer Kirche rieben. Ihnen konnte
sie aus dem Schatze ihrer bittersten Erfahrungen mit und in der Kirche
Hilfe,
ja manchmal sogar Rettung sein, um eben in dieser so gearteten Kirche
zu
verbleiben, nicht trotzig, sondern versöhnlich und
eigenständig. |
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Literatur
Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon (1999) Bd. XV, Spalte 1544 - 1545: Wittig, Anka
Kirche Intern 3/98, 12.
Wittig, Anka (1989): Wie die Madonna in unser Haus
und später nach Meschede kam. In: Junge Grafschaft 1989, H. 3,
39-41.
Quellen
Biographie
Joseph Wittigs. Zit. nach www.joseph-wittig.de
Joseph Wittig (1993) unveröffentlichter Vortrag. Zit. nach
www.koenigsmuenster.de
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